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Österreich: Wellnessurlaub in Corona-Zeiten

Unsere Reiseexpertin Andrea Labonte (www.wellness-heaven.de) beschreibt in einem emotionalen Artikel Ihre erste Reise nach dem Corona-Lockdown mit ihrer Familie nach Tirol:


Wenn das Leben wieder Fahrt aufnimmt, dann hüpft mein Herz im Vierteltakt und ein großes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Plötzlich wird das früher, als leidig empfundene Koffer packen, zum symbolischen Akt für meine Vorfreude. Endlich wieder Aufbruchstimmung. Neues entdecken statt Lagerkoller. Ins Auto steigen und einfach losfahren, über die Grenze nach Österreich. Vor ein paar Wochen noch undenkbar, seit dem 4. Juni 2020 wieder Realität. Unser Ziel: Das Alpenresort Schwarz am Mieminger Sonnenplateau in Tirol.




Alle wirken redseliger, freundlicher und gelöster als früher

Nach wochenlangen Aufenthalten auf „Balkonien“, spüre ich das Kribbeln im Bauch, die Sehnsucht nach Weite und Entgrenzung darf nun wieder gelebt werden. Endlich. Schon allein die Autofahrt ist ein Aufatmen. Und auch Begegnungen mit Fremden können wieder stattfinden – zwar mit Vorsicht und Abstand, aber gemeinsam lächeln, das geht auch auf einen Meter Entfernung. Das ist nämlich der Mindestabstand, der in Österreich eingehalten werden sollte. Zur Begrüßung wird dann an der Rezeption erst einmal eine Runde „gefensterlt“, wie der Tiroler in Pandemie-Zeiten zu sagen pflegt. Denn eine Plexiglas-Schutzwand gibt sowohl mir als auch der Rezeptionistin ein sicheres Gefühl. Dabei spüre ich, dass die herzlichen Worte von Kerstin, der Empfangsdame, wie Öl an meinem, nach Kontakt dürstenden Gemüt hinunterrinnen. Da sie ein transparentes Gesichtsvisier trägt, sehe ich auch ihr die Freude deutlich an. Ach, was tut das gut! Und ich habe das Gefühl, den anderen Gästen geht es genauso. Beim Desinfektionsspender an der Rezeption wird ausgelassen gescherzt. Alle wirken irgendwie redseliger und dankbarer als noch vor ein paar Monaten. Dabei bin ich als Gast nur beim erstmaligen Betreten der Rezeption, des Restaurants, an den Buffets, im Hotelshop, bei den Spa-Behandlungen und im hoteleigenen Friseur angehalten, einen Mund- und Nasenschutz zu tragen.



Mit Mundschutz an der Hotelrezeption

In Corona Zeiten wird das Frühstück à la carte serviert.



Nach dem Lockdown, das erste Dinner im Hotelrestaurant – für mich eine kleine Sensation

Was so eine Zeit des Reise- und Kontaktentzugs alles bewirken kann. Dinge, die wir früher für selbstverständlich hielten, wie z. B. in einem Hotelrestaurant zu speisen, sind für mich heute an unserem ersten Abend im Hotel eine kleine Sensation. Einmal nicht selbst kochen müssen. Den Kindern beim Schlemmen zuschauen. Das alles erfüllt mich mit einer Gelassenheit, wie ich sie schon eine Weile nicht mehr empfand. Da macht es mir auch nichts aus, dass ich beim Betreten des Restaurants einen Mundschutz trage, das Essen direkt am Tisch serviert wird und das Buffet nur in eingeschränkter Form angeboten wird. Who cares? Es schmeckt genauso gut wie früher und das à la carte Frühstück erscheint mir fast noch appetitlicher.


Die Anstrengungen der letzten Monate perlen im Hotelpool von mir ab

Auch das Schwimmen im Pool wird für mich plötzlich zu einem besonderen Ereignis. Hatte Rückenschwimmen schon immer so etwas Meditatives? Warum ist mir das früher nicht aufgefallen? Die Sonne scheint und ich bin tatsächlich alleine im Pool. Plötzlich fühle ich mich locker und befreit, ganz so als hätte das Wasser die Mühen von Homeschooling, Homeoffice, Kleinkindbespaßung und Haushalt von mir abgewaschen. Da bin auf einmal nur noch ich, das Wasser und der Himmel über mir. Dass gerade in den Pools darauf geachtet wird, die Abstandsregel von mindestens einem Meter einzuhalten, begrüße ich sehr. So heißt das Gebot der Stunde, auch am Beckenrand oder beim Schwätzchen mit anderen Eltern im Kinderbecken: den Mitbadenden bloß nicht zu dicht auf die Pelle rücken. Doch nicht nur die Pools locken zur Erfrischung, auch die beiden Badeseen des Hauses funkeln mich mit ihrem türkisenen Wasser an. Allerdings sind beide Seen nicht gechlort, sodass ich hier drei bis vier Meter Abstand zu den anderen Badenden einhalte. Gut, dass die Seen so weitläufig sind, dass sich die Abstandsregel problemlos realisieren lässt.



Ein Meter Mindestabstand ist von Schwimmern im gechlorten Hotelpool einzuhalten.

Einsames Schwitzen

Ich gebe es zu, vor dem Sauna-Besuch habe ich in Corona-Zeiten Respekt. Doch der Gastgeberfamilie Pirktl ist es gelungen, dass ich trotz meiner Bedenken, das Saunadorf besuche und einen Saunagang in der 90°C heißen Tiroler Schwitzstube und der 95°C heißen Weitblick-Sauna einlege. Dabei achte ich darauf, dass ich in der Sauna alleine schwitze und vertraue auf die Reinigungs- und Desinfektionsstandards des Hotels. Grundsätzlich sollte gerade in den Saunen ein Mindestabstand von einem Meter in alle Richtungen gewahrt werden. Um Atemaerosole nicht zu verbreiten, sind Aufgüsse und Wedel-Einlagen im Sauna-Repertoire des Hotels momentan nicht enthalten. Das kommt meiner Vorliebe allein zu saunieren sehr entgegen. Auch die beiden Dampfbäder sind aus Hygienegründen noch geschlossen.



Im nicht gechlorten Badesee des Saunadorfes gilt eine Abstandswahrung von 3-4 Metern zu den anderen Badegästen.

Wenn Kinder wieder Freiheit spüren

Dankbar und ausgelassen bin nicht nur ich, sondern auch meine Kinder. Sie reiten auf Ponys, beobachten Ziegen, Hängebauchschweine und streicheln Kaninchen. Kopfüber vom Klettergerüst zu baumeln ist viel lustiger als die schlechte Laune von Mama beim Homeschooling zu ertragen. Schlechte Laune habe ich heute nicht. Zwar kann ich mit den Saltos meines Sohnes auf dem Trampolin nicht ganz mithalten, aber ein großer Freudensprung ist auf jeden Fall drin! Und auch der Kinderclub ist geöffnet und punktet mit Naturerlebnissen im Freien. Bei schlechtem Wetter werden Kleingruppen in vier unterschiedlichen Räumen sicher umsorgt, sodass Eltern nach der langen Zeit der Rundum-Betreuung endlich wieder zur ersehnten „Me-Time“ kommen.

Freudensprünge aufgrund der wieder gewonnenen Reisefreiheit.

Die Corona-Krise, sie lehrt mich eine neue Wertschätzung

Während mir in der Isolation, ob ich wollte oder nicht, die Rolle des “Kümmerers” und des “Trösters” zuteil wurde, genieße ich es im Wellnesshotel sehr, dass jetzt ich es bin, die während einer Pedicure verwöhnt wird. Nicht nur durch die wohltuende Fußmassage, sondern auch vom Duft, der Musik und der Ruhe, die den Raum erfüllt. Überhaupt, dass ich in einem Zimmer sein darf, das nicht Teil unseres Zuhauses oder des heimischen Supermarktes ist, ist für mich, so skurril es klingen mag, ein Geschenk, das demütig macht. Da ist es auch nicht der Rede wert, dass die Kosmetikerin Ingrid und ich einen Mundschutz tragen. Dabei wird mir bewusst, dass diese Krise vielleicht auch ihr Gutes hatte – erteilte sie mir einmal mehr als Lektion, dass das Reisen keine Selbstverständlichkeit ist.


Der Berg ruft und die neue Freiheit lockt

Die Möglichkeiten freier Bewegung waren im Lockdown beschränkt, auch für uns auf dem Land. So waren es doch die immer gleichen Wege, auf denen ich meine nachmittäglichen Runden drehte. Mit dem Auto in die Berge? Fehlanzeige, man wollte ja nichts riskieren und seinen Beitrag zur Überwindung der Pandemie leisten. Umso befreiender ist nun die erste gemeinsame Mountainbike-Tour auf die Stöttlalm. Immer weiter und höher, der Aussicht hinterherjagen. Das Prickeln bei der Entdeckung des Unbekannten wieder spüren, das ist es, was mich glücklich macht und was mir in den letzten Monaten so fehlte. Das merke ich jetzt. Auf den eingestampften Trampelpfaden zwischen Küche, Bad und Schreibtisch war wenig bis gar kein Platz für Abenteuer oder Wow-Momente. Da war nur das ewig Gleiche, das mir schon am Morgen ein müdes Gähnen entlockte.



In Cororna-Zeiten sind Outdoor-Sportarten angesagt. Mit etwas Glück ist sogar ein Himmelsfalter mit von der Partie.

Alle Fotos: ©Andrea Labonte

Über die Autorin: Andrea Labonte ist seit über 14 Jahren als Hoteltesterin für den Wellnesshotel Guide Wellness Heaven unterwegs. Sie schreibt für angesehene Print- und Onlinemagazine, u.a. für das stadtMAGAZIN KÖLN.



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